Zu Besuch in Kim Jong Uns Geschenke-Wunderland

Blick auf Nebel der durch eine Berglandschaft zieht.

Ich blättere mich durch die alten Aufzeichnungen meines Reisetagebuchs auf der Suche nach den Gedanken und Gefühlen, die mich noch Monate beschäftigt haben. Die nordkoreanische Freundschaftsausstellung ist dabei Sinnbild für die Selbstdarstellung eines Machthabers, der keine Menschen neben sich duldet und am besten mit den Worten „Ich kann das, also will ich es“ beschrieben werden kann.

Der Eingang zu einem in den Berg geschlagenen Museum. Er wirkt wie ein eigenes Haus mit einem Verzierten Dach und traditioneller koreanischer Bauweise.
Als wir zum Ende unserer Reise vor den meterhohen hohen Bronzetüren stehen, die den Eingang in das Geschenke-Wunderland einer Diktatoren-Familie bildet und uns erzählt wird, dass diese in einem Guss gegossen wurden, sind wir bereits abgehärtet von Bronzestatuen und Monumentalbauten aller Art. Die Tür, die locker zwei- bis dreimal so hoch ist wie ich, wird nur noch mit einem Nicken abgetan.

Als uns von den über 150 Räumen auf über 50.000 m², die natürlich von Menschenhand in gerade einmal drei Jahren erbaut wurden, erzählt wird, laufen nur Zahlen durch meinen Kopf. Ganz lange Zahlen. Irgendwann sind Zahlen einfach nicht mehr zu begreifen. „Das sind mehr Quadratmeter als die Stadt Münster an sozial genutzter Fläche hat… Oder ein Drittel Saarbrückens…“, erzählt mir später ein Mitreisender und bei dem Versuch, es mir bildlich vorzustellen, muss in meinem Kopf irgendeine Sicherung durchgebrannt sein.
Seit meiner Ankunft denke ich nur noch in Fußballfeldern, doch selbst diese Relation scheint langsam an ihre Grenzen zu stoßen. Wir spazieren weiter durch vier Meter hohe Türen und mehrere Fußballfelder lange Gänge, vorbei an Vitrinen in Räumen, die groß genug sind, damit eine Familie dort ihr gesamtes Wohnzimmer einrichten könnte. Schon nach mehreren Ausstellungsstücken ist wenigstens die Anzahl der über zweihunderttausend Geschenke erklärbar, wenn auch „Eine Teetasse von einer Bewunderin aus der Schweiz“ seinen Platz findet.

Fotos sind wie an vielen anderen Orten nicht erlaubt. Kameras, Telefone und anderes werden zu Beginn am Eingang abgegeben, ehe noch einmal die Kleidung kontrolliert wird und man in Plastik-Überschuhe schlüpft.
Eine junge Frau führt uns durch die Ausstellung. Sie trägt traditionelle Kleidung und entspricht wie fast jede Frau, der wir begegnen einem gewissen Schönheitsideal. Mehr als jede andere Person auf unserer Reise spricht sie begeistert vom großen Führer Kim Jong Un und erinnert mich mit ihren Aussagen an die Schüler*innen, mit denen wir sprachen. Immer mit einem Lächeln auf den Lippen lobt sie in jedem zweiten Satz den großen Führer, oder huldigt seinen Vorfahren.

Im Laufe unserer Reise habe ich in meinem Kopf einen Filter entwickelt, wodurch ich nur noch jeden zweiten Satz in meinen Kopf vordringen lasse. Anders sind Gespräche schon lange nicht mehr auszuhalten. Sie erzählt, wie die Ausstellung in Rekordzeit errichtet wurde, aber auch, dass andere internationale Besucher*innen gerne Zweifel an ihren Vorträgen zur Bauphase äußern und fragt mich nach meiner Meinung. Ich bleibe wie häufig sachlich und erwähne lediglich, dass ich bezweifle, dass diese Bauplanung in Deutschland in so wenigen Jahren möglich gewesen wäre.
Wir sprechen über die einzelnen Diktatoren, deren lebensgroße Wachsfiguren wir in perfekt inszenierten Themenräumen besuchen (und bei deren Betrachtung auch ich ehrfürchtig meinen Kopf zu einer Verbeugung senke), aber auch über Beziehungen und Liebe. Als sie und ich gemeinsam auf einem Flur auf die weiteren Reiseteilnehmer warten sprechen wir über ihre noch nicht erfolgreiche Partnersuche. Währenddessen sieht man im Hintergrund eine Person zu den Fahrstühlen eilen, mit denen wir uns gleich auf den Weg in eine andere Etage bewegen werden. Es ist ein komisches Gefühl wenn nur für einen Selbst der Fahrstuhl angeschaltet wird.

Im Fahrstuhl selbst steht der eben noch angerannte Liftboy mit einem Buch und Hocker in der Hand nun mehr oder weniger gelangweilt neben einer riesigen Anzahl an Knöpfen und drückt die gewünschte Etage. Erneut betreten wir Marmorboden, blicken zu Marmortreppen und Kronleuchter hinauf und staunen durch nummerierte Ausstellungsräume auf denen sich hunderte Stücke engsten Raum teilen. Medaillen und Präsente stammen fast ausschließlich aus damals kommunistischen Länder und Diktaturen. Präsente nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Union erblickt man kaum und mit „Eine Enkelin von…“ sind die goldenen Schilder zum Teil auch sehr vage beschriftet. Dennoch ist es eindrucksvoll und überwältigend und das, obwohl ich dachte, dass meine jetzt schon starken Eindrücke nach dem Kinderpalast, dem Stadion und dem Triumphbogen nicht mehr zu übertreffen sind. Viel mehr als Zugwagons, gepanzerte Fahrzeuge oder Ölgemälde bewegen mich jedoch die zum Teil vom Aussterben bedrohten, ausgestopften Tiere sowie die Elfenbeinkunst, die mit einem unglaublichen Stolz präsentiert wird.

Um alle Ausstellungsstücke anzusehen, würde man Monate, wenn nicht sogar Jahre brauchen. Viele Dinge seien noch nicht katalogisiert. Auf die Frage nach dem größten Ausstellungsstück wird uns geantwortet, es handle sich um ein Flugzeug. Auf die Frage ob sich das Flugzeug innerhalb der Ausstellung befindet oder außerhalb aufgestellt worden ist, lacht unser Reiseführer und erklärt dann, dass sich das Flugzeug natürlich innerhalb der Räumlichkeiten befindet. Wie sollte es auch anders sein. Warum sollte man sein Flugzeug in den Garten stellen, wenn man eine Bevölkerung hat die von Hand ein zusätzliches Marmorzimmer errichten kann. Darauf hätten wir auch selbst kommen können. Man liebt die großen Leistungen. Mittlerweile gibt es nichts mehr an Dekadenz, was ich den großen Führern Nordkoreas nicht zutrauen würde, schließlich ist die Ausstellung selbst ist mit ihren mehreren tausend Quadratmetern und drei Etagen in einen Berg geschlagen. Geschlagen von Menschenhand, nur der Eingang, das Dach und die Terrasse schauen daraus hervor. Und nun stehe ich vor einem Flugzeug, für das mal eben ein Raum von der doppelten Größe meiner Uni-Mensa von Menschenhand in einen Berg gebaut wurde. Und warum? Weil man es kann.

Wie viele Menschen bei dieser Arbeit ihr Leben gelassen haben wird man wohl nie erfahren, wenn offiziell von freiwilligen und freudigen Helfern gesprochen wird. Allein mit den Ressourcen zur Errichtung der Friedensausstellung könnte man ganze Dörfer bauen und den hungernden Menschen ein Dach über dem Kopf bieten, doch stattdessen baut man sich lieber eine überdimensionale Ausstellung für seinen ausgestopften Eisbären und raucht kubanische Zigarren auf der Dachterrasse.

Blick auf Nebel der durch eine Berglandschaft zieht. Es ist der Terassenausblick.
Auf dieser beenden wir unseren Rundgang und schauen in die wundervolle Berglandschaft Nordkoreas mit ihren traumhaft schönen Bäumen und leichtem Nebel, als wir von unserer Museumsführerin gebeten werden, unseren Eindruck von der Ausstellung in Worte zu fassen. Lediglich wie uns die Ausstellung gefallen habe, sollen wir zu Papier bringen. Als hinzugefügt wird, dass andere Gäste begeistert über den wunderbaren Eindruck, die überwältigenden Ausstellungsstücke, oder ihr neues Verständnis über den großartigen Führer schrieben, ist klar, dass Kritik an dieser Stelle nicht angebracht ist.

Ich möchte weder über das Gesehene schreiben, das ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht annähernd realisieren konnte, noch eine Lobeshymne über einen Diktator schreiben, der sich mir im Laufe der Reise von Tag zu Tag versuchte von seiner besten Seite zu präsentieren und mir dabei immer unsympathischer wurde. Stattdessen verfasse ich Zeilen über Frieden und Völkerverständigung, die unser Reiseleiter einer doch so jungen Frau wie mir gar nicht zugetraut hätte und schaue gespannt zu, als man meine Wörter ins Koreanische übersetzt.

Den Rückweg im Auto schlafe ich hauptsächlich. So viel Propaganda und Monumentalbau scheint erneut meinen Geist zu sprengen und ich bin glücklich, nicht mit noch mehr Eindrücken konfrontiert zu werden. In den nächsten Tagen werde ich noch oft genug mit der Überforderung meines Kopfes kämpfen.