Warum Schleswig-Holstein ein landesweites Semesterticket gut tut

Blick an der Spitze eines Regionalzuges vorbei, über gleise auf den Plöner See.

Hier oben „im echtenNorden“ nennt man Kiel nicht umsonst Landeshauptdorf. Die Bürgersteige werden ab 22Uhr hochgeklappt und von der Party nach Hause geht man doch lieber zu Fuß, oder fährt Fahrrad, denn das ist schneller als mit dem Nachtbus (wenn denn auf der Strecke überhaupt einer fährt).

Verpasse ich meinen Bus zur Arbeit muss ich eine Stunde auf den nächsten warten. Das Gefühl von dem Verkehrssystem einer Landeshauptstadt macht sich nicht gerade breit. Kiel ist für Autofahrer gebaut. Kaputte schmale Radwege auf Bürgersteigen sind die Norm. Zugeparkt, oder mit „Luftreiningungs-Maschinen besetzt“ findet man sie weiterhin vor, während sich die Stadt für ihre Velo-Route (Fahrradschnellstraße) gratuliert.
Kiel hat mit der Holstenstraße die erste Straße Deutschlands, die in eine Fußgängerzone verwandelt wurde, doch seit dieser Entscheidung von 1953 scheinen Politiker*innen kaum noch revolutionäre Entscheidungen umsetzen zu wollen.

Die meisten Menschen mit denen ich studiere besitzen ein Auto um zur Uni zu fahren, oder zur Arbeit zu kommen. Mit einem Auto wäre ich in 10min auf der Arbeit. Mit dem Bus brauche ich eine Stunde. Es ist ein Armutszeugnis. Möchte ich zu meinem Hackerspace in Flensburg oder Lübeck fahren, so bleibt mir nur die Bahn, oder das Auto und eine Einzelfahrt für die einstündige Fahrt im Regionalverkehr kostet 20Euro. Nach Hamburg kostet es mich 25 Euro die Einzelfahrt. Ich kann mir das Fahren durch Schleswig-Holstein durch meine BahnCard leisten, Andere nicht. Und dabei sind die Bahnen auch noch so unzuverlässig dass ich lieber die Nacht vorher fahre um am nächsten morgen pünktlich bei einem Termin zu sein.

Ich kann verstehen dass es lange gebraucht hat um ein landesweites Semesterticket umzusetzen, wo doch die Studierenden Autos besitzen und den Nachverkehr verachten, doch es gibt immer mehr Gründe warum ich hoffe dass es sich bald ändert.

Wohnen in Kiel wird immer teurer.

Im Vergleich zu anderen Städten mag Kiel auf den ersten Blick eine günstige Stadt sein, doch die Mieten steigen immer weiter. Würde ich in meine aktuelle Wohnung (Einzug 2015) heute einziehen, dann würde die Miete auf meinem Mietvertrag über 15% höher ausfallen.
In Kiel werden zudem Wohnungen knapper. Mit einem Semesterticket, dass über die Stadtgrenze hinaus geht, können sich Studierende auch im Umland Wohnungen suchen.

Die Möglichkeiten der Bildung wächst.

Mit dem landesweiten Ticket können Veranstaltungen in ganz Schleswig-Holstein besucht werden. Ich kann weiter Löten in meinem Hackerspace in Flensburg lernen und ein Jugendprojekt in Lübeck unterstützen, ohne im Monat mehrere Hundert Euro Fahrkosten zu haben. Es können Projekte an anderen Universitäten unterstützt und ein Austausch gefördert werden von denen Studierende profitieren.

Solidarität mit pendelnden Studierenden.

Viele Studierende müssen in ihrem Studium pendeln. Für Pflicht-Praktika, Praktische Jahre, oder Referendariate. Liegt der Ausübungsort nicht in Kiel müssen die Fahrtkosten meistens von den Studierenden selbst getragen werden.
Mit dem landesweiten Semesterticket können wir diese Studierende unterstützen und sich von nun an alle einen individuellen Platz aussuchen, ohne auf die Fahrtkosten achten zu müssen.

Solidarität mit Studierenden ohne Auto.

Es geht auch darum Bahnfahren in Schleswig-Holstein bezahlbar zu machen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass durch ein Solidarticket auch die Studierenden, die kein Auto besitzen nicht auf überteuerte Bahnpreise angewiesen sind. Ich denke dass ein landesweites Semsterticket für mehr Gerechtigkeit sorgt.

Umweltfreundlichkeit.

Kiel hat mit dem Theodor-Heuß-Ring nicht nur einen Ort mit enorm hohen Feinstaubbelastung. Wenn wir wollen, dass immer mehr Bewohnende Kiels ihre Autos stehen lassen, dann müssen wir mehr tun, als nur eine Fahrrad-Schnellstraße zu bauen.
Ein Semesterticket kann dafür sorgen, dass Menschen die vorher nicht bereit waren für den miesen ÖPNV oder Nahverkehr Geld auszugeben diesen nun nutzen, da kein weiterer Ticketkauf mehr erforderlich ist.
In anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass landesweite Semester-Tickets für eine Reduktion im PKW Besitzt geführt haben.

Abschaffung der Grenze für Nebenjobs.

Kiel ist eine Studentenstadt und möchte man bei seinem Nebenjob nicht drauf zahlen, dann kann man ihn auch nur in Kiel ausführen. Andere Städte wie Neumünster, oder Rendsburg können davon profitieren, dass sie von nun auch ohne zusätzliches Ticket erreicht werden können. Studierende haben die Möglichkeit sich Jobmöglichkeiten auch im Umland zu suchen.

Sollte das Semesterticket kommen, dann muss jedoch auch das Land mitspielen. Damit Studierende ihre Autos zuhause lassen müssen sich Verkehrslinien auch auf die Bedürfnisse der Studierenden einstellen.
Wir können uns nicht zurücknehmen und warten bis das Verkehrssytsem gut genug ist, dass wir bereit sind dafür Geld zu bezahlen. Das wird wahrscheinlich nie passieren. Mit einem landesweiten Semesterticket bringen wir neue Einnahmen. Nun muss das Land das erkennen und das Geld auch in die benötigte Infrastruktur investieren um das marode System Schleswig-Holsteins zu verbessern.

Dieses Ticket sollte als Chance für Gerechtigkeit, landesweite Möglichkeiten und eine bessere Umweltbilanz verstanden werden die alle gleichermaßen ergreifen müssen. Die Studierenden, die Verkehrsbetriebe und die Politik. Und wenn der öffentliche Nah- und Regionalverkehr in Schleswig-Holstein besser wird, dann profitieren am Ende alle.

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