Welcome Back To Capitalism – Was nach Nordkorea bleibt
Da stehen wir nun plötzlich mitten in Peking auf dem Tian’anmen-Platz, starren auf die Touristengruppen, die eifrig Fotos machen und ich fühle …nichts.
Ich bin weder begeistert noch beeindruckt von dem, was ich sehe und dabei stehen wir auf dem wahrscheinlich größten befestigten Platz der Welt. Oh ein großer Platz… Oh ein großer Park… Oh das Tor des Himmlischen Friedens… Ist ja ganz hübsch hier…Die anderen Tourist*innen können gar nicht oft genug auf den Auslöser drücken, doch für mich ist alles so klein im Gegensatz zu dem, was ich in Nordkorea gesehen habe.
Nach 60m hohen Triumphbögen, der Freundschaftsausstellung und dem alleinigen Besuch in einem 150.000 Zuschauer Stadion ist alles plötzlich unbedeutend und klein. Fast schon normal. Der Tian’anmen-Platz hat 39,6 ha Fläche.
Was die Tourist*innen zum Staunen bringt, ist damit aber auch nur 8 mal größer als die Fläche der Freundschaftsausstellung Nordkoreas, und die ist von Menschenhand in einen Berg geschlagen worden, aus Marmor und hat in einem Guss entstandene Bronzetüren, die mehr als dreimal so hoch sind wie ich. Hier wurden Steine auf den Fußboden gelegt. Die letzten 10 Tage haben es geschafft, mich so nachhaltig zu schockieren, dass alle Relationen in meinem Kopf neu besetzt worden sind. Wenn U-Bahn-Stationen nicht mehr aus Marmor und Bronze sind, sondern simple, bunte Werbeplakate die Wände schmücken anstatt aufwendiger Mosaikbilder, dann nehme ich es nicht mehr wahr.Der erste Schock hatte uns bereits direkt nach der Ankunft in Pjöngjang erreicht. Als wir vom Flughafen abgeholt wurden, passierten wir den Triumphbogen. 60 Meter hoch aus Granit erbaut, wirkte er bei Nacht zwar nur halb so beeindruckend wie später bei Tag, doch es reichte, um einen ersten Eindruck vom nordkoreanischen Monumentalbau zu erhalten, wie er in Pjöngjang zur Machtdemonstration genutzt wird.Die nächsten Tage waren eine absolute Überforderung, bei der wir von einer Sehenswürdigkeit zur anderen geführt wurden. Immer dabei: Die ständige Überwachung und das dumpfe Gefühl, durch die Fantasie eines totalitären Machthabers zu laufen.
Bereits am dritten Tag fragte ich nicht mehr nach Maßangaben.
Mein Kopf konnte sie sich eh nicht merken und sie erst recht nicht in Relation setzen.
Als wir auf dem Rückweg die chinesische Grenze passieren und das erste Mal wieder auf riesige, beleuchtete Werbetafeln gucken, ist Erleichterung, Fassungslosigkeit und ein riesiges Durcheinander in meinem Kopf. Ich liege in Peking einem Hotelzimmer, das nicht abgehört wird, habe durchgängig Strom aus der Steckdose, (zensiertes) Internet und kann internationale Nachrichten lesen.
Ab jetzt kann ich das Hotelzimmer verlassen, wann immer ich will. Um mich herum liegt wieder Müll auf den Straßen, ich sehe wieder arme Menschen im Stadtbild und bewege mich plötzlich wieder ohne Reiseführer. Privatsphäre in einer riesigen Metropole, wo ich mich zwischen den anderen Menschen verliere und unter all den Tourist*innen nicht mehr auffalle. Nie hat es sich so gut angefühlt, eine von vielen zu sein.
Zurück in Deutschland blicke ich in interessierte, faszinierte, oft ungläubige Augen, die auf eine Antwort auf die immer wiederkehrende Frage „Und? Wie war es?“ warten. Dabei ist es mir fast unmöglich, das Gesehene in Worte zu fassen. Nordkorea war eine so andere Welt, dass sie sich nicht in fünf Adjektiven beschreiben lässt. Man muss es gesehen haben.