Vertrauen ist gut. Kontrolle ist Nordkorea

Ein Betongebäude voller Überwachungskameras

Keinen Schritt bewegen wir uns bei unserem Aufenthalt, ohne von einer Kamera oder einem unserer Reiseleiter beobachtet zu werden. Ungewohnt und beängstigend ist das Gefühl der Überwachung in diesem Ausmaß und nicht selten fühle ich mich unwohl.

Ein Monumentales Wandgemälde zeigt die verstorbenen Führer Kim Jong Un und Kim Jong Il umgeben von Militär und einer jubelnden Menschenmasse.
Unser Reiseführer ist unglaublich entspannt und tolerant, oft genehmigt er uns Fotos, die Sicherheitsbeamte später bitten zu löschen. Lediglich, wenn man gegen die allgemeinen Regeln Nordkoreas verstößt, muss man sich Sorgen machen. Auf dem Universitätsgelände fotografiere ich ohne böse Absichten die Bronzestatue Kim Il Sungs von hinten, etwas, was nicht nur unglaublich unhöflich, sondern schlichtweg verboten ist. Drei Minuten später steht plötzlich ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen habe, neben mir und deutet auf meine Kamera. Es dauert einen Moment bis ich verstehe, was er von mir möchte und ich ihm zeige, wie ich das Foto lösche. Auch wenn ich mehrfach beteure, dass es keine Absicht war, Besserung gelobe und meinen Fehler sofort einsehe, scheint das Vertrauen nicht wieder hergestellt. Der Mann von der Universität weicht mir die nächsten Stunden keinen Schritt von der Seite, erst, als wir das Gelände verlassen, verabschiedet er sich.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird die Überwachung keinesfalls versteckt, sondern offen präsentiert. Jeder weiß, dass das Einhalten der Regeln unter genauer Beobachtung steht.
Natürlich war mir von Anfang an klar, dass ich in Nordkorea überwacht werde, mir war klar, dass wir keine Minute ohne Reiseleiter sein werden, und natürlich kannte ich das System aus den Nachrichten, dennoch war ich einer solchen Situation noch nie zuvor ausgesetzt.
Das Gefühl, kontrolliert zu werden, jede seine Handlungen zu überdenken und jeden seiner Sätze zweimal zu überlegen, bevor man sie ausspricht war eine völlig neue Erfahrung. Eine Erfahrung, die Angst in meinem Kopf hinterlassen hat.
Ich habe schon vor meinem Aufenthalt andere Länder bereist, in denen die freie Meinungsäußerung und meine Lebensweise stark eingeschränkt war, doch in Nordkorea habe ich das erste Mal Furcht vor falschen Handlungen und Aussagen. In diesem Fall können sie nicht nur mich gefährden, sondern auch meine Reisebegleitung und Nordkoreaner*innen, die mit mir in Kontakt stehen.
Gerade am Anfang beobachte ich, wie stark mein eigenes Handeln von dieser Besorgnis bestimmt wird. Erst später realisiere ich, dass die Überwachung sich nicht zwingend gegen die Tourist*innen, sondern viel mehr gegen die eigene Bevölkerung richtet.

Was Tourist*innen aus dem Land exportieren, ist der nordkoreanischen Regierung egal. Dinge, an denen das Land verdient, wie Souvenirs oder Ausgaben vor Ort sind immer gern gesehen und werden oft provoziert, doch die Regierung scheint eingesehen zu haben, dass Menschen immer einen Weg finden werden, verbotene Fotos oder ähnliches aus dem Land zu schmuggeln.
Auch stellen Fotos im Ausland keine Gefahr für das System innerhalb des Landes dar. Kameras und Gepäck werden bei der Ausreise nur noch bei Verdacht und stichprobenartig kontrolliert.
Blick über prefekt geschnittenen Rasen auf ein riesiges Geäude, auf welchem die Gesichter von Kim Jong Un und Kim Jong Il prangen.
Die Kontrolle bei der Einreise ist deutlich härter, vergleichsweise aber immer noch im Rahmen. Handys und andere elektronische Geräte werden abgegeben, das Handgepäck kontrolliert, das Reisegepäck lediglich durchgewunken. Auch hier werden die Koffer ausschließlich auf Verdacht geöffnet. Eigene Geräte und Bücher werden durchsucht, der nordkoreanische Reiseführer abgenommen. Tablets, Laptops, Mobiltelefone werden kurz angeschaltet, dreimal wird über den Bildschirm gewischt und danach wird es dem Eigentümer zurück gegeben. Es spielt keine Rolle, welche Inhalte sich auf dem Telefon der Besucher befinden, so lange unsere Geräte nicht in die Hände von Nordkoreaner*innen kommen, und darauf wird während unserer Reise penibel geachtet.
Nicht nur wir werden nicht alleine auf nordkoreanische Straßen gelassen, auch unsere Reiseleiter treten immer mindestens zu zweit auf. Ein Reiseleiter kontrolliert, was der andere tut, erzählt und preisgibt und umgekehrt. Das System der Überwachung ist perfektioniert. Nie treffen wir auf einen einzelnen Nordkoreaner, durch die Sprachbarriere kommen wir nicht mit Einheimischen in Kontakt. Es bedarf keine Überwachung des einzelnen, denn die ständige Angst, der andere würde dich im Falle eines Fehltritts verraten, reicht aus, um das Verhalten zu manipulieren.
Der einzige Moment, in dem wir uns alleine mit einem unserer Begleiter unterhalten können, ist die Raucherpause. Oft verlassen Fahrer und Reiseleiter den Tisch, um außerhalb des Hauses zu rauchen, dann unterhalten wir uns mit dem Studenten ungestört. Wir reden über Hoffnungen, Alltag in Nordkorea und das Studentenleben.

Tourist*innen kommen mit einem vorgefertigten Bild nach Nordkorea, auch ich bin nach 10 Tagen nicht als Kim Il Sung liebende Kommunistin zurückgekehrt. Die Regierung hat verstanden, dass sie Tourist*innen keinesfalls einen völlig neuen Eindruck des Landes vermitteln können. Wir dienen lediglich als Einnahmequelle für Devisen.
Das Misstrauen richtet sich gegen die eigene Bevölkerung.

Die Grenze zwischen Nord-Korea und Süd-Korea mit ihren bekannten blauen Grenzgebäuden.
Wann immer wird die Grenze Pjöngjangs oder eines anderen Bezirkes passieren, so müssen Identitätskarten vorgezeigt werden. Oft kommen wir an Checkpoints vorbei und auf dem Weg zur Südkoreanischen Grenze wird unser komplettes Fahrzeug durchsucht. Nicht, weil wir etwas Verbotenes transportieren könnten, sondern weil Nordkoreaner*innen versuchen könnten, über die Grenze zu fliehen. Im Gegensatz zu Südkorea ist die Grenze Nordkoreas auch mit unglaublich vielen Soldaten besetzt. Einerseits eine Geste der Machtdemonstration, andererseits stellt man fest, dass Nordkoreaner*innen lieber von der Grenze entfernt stehen, während ich mich für bessere Fotos auf die Grenzlinie zu bewege.
Die Angst, die eigene gebildete Bevölkerung könnte aus dem Land fliehen, ist so groß, dass es Nordkoreaner*innen nicht erlaubt ist, Botschaften zu betreten.
In Pjöngjang beantragen wir in der chinesischen Botschaft unser Visum für die Rückreise. Dafür werden wir von unseren Reiseführern zwar zum Gebäude gefahren, jedoch wird uns erklärt, dass Nordkoreaner*innen das Gebäude nicht betreten dürfen. Auch erfahren wir nie, wer unsere Pässe nun genau abgeholt hat und ob es Nordkoreaner*innen mit Erlaubnis zum Betreten ausländischer Behörden gibt.

Dank der Smartphones könnte das Überwachen der Bevölkerung noch einfacher sein. Ein Smartphone wird nur gegen Vorlage eines Passes/ID-Card herausgegeben. Zusätzlich darf jeder Bürger*in nur ein Gerät besitzen. Jede Kommunikation kann damit genau verfolgt, ausgewertet und gespeichert werden.

Als wir Nordkorea verlassen, erscheint Peking wie ein Paradies. Wir können frei unsere Route bestimmen, uns durch die Stadt bewegen. Kein Reiseleiter, der einem die Route diktiert, kein Foto, das man nicht machen darf.
Als ich zu Hause auch wieder ungesperrtes Internet habe fühle ich mich frei, frei und sicher. Keine Angst mehr, dass ein falsches Handeln mich ins Gefängnis bringen kann, keine Angst mehr vor einer falsche abgesendeten Nachricht oder einem Missverständnis in meiner Kommunikation. Ich traue mich wieder, Ironie zu verwenden.
Wenige Monat später wird im Bundestag die Vorratsdatenspeicherung beschlossen und Deutschland macht einen starken Schritt zur anlasslosen Massenüberwachung.

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