Kalter Entzug

Blick aus einem Restaurant in einem Fernsehturm.

Ich trinke keinen Alkohol, nehme keine Drogen, konsumiere nicht ein mal Cannabis und trinke kein Koffein. Die Müdigkeit setzte bereits nach drei Tagen ein.
Morgens klingelte der Wecker zwischen sechs und sieben Uhr, zwischen acht und neun Uhr wurde das Hotel verlassen und es begann eine aufregende Tour durch Pjöngjang, doch spätestens zum Mittag ließen meine Kräfte nach. Häufig legte ich mich mittags noch einmal eine Stunde ins Bett und das, obwohl ich keinesfalls unter Schlafmangel litt. Meistens fiel ich gegen 18 Uhr tot ins Bett und schlief die gesamte Nacht.

Das erste Mal begann ich an Tag fünf meiner Nordkoreareise zu zittern. Bereits die Tage zuvor begann leichte Unruhe und der ständige Drang nach Schokolade oder irgendeiner anderen Art von Industriezucker. Entzugserscheinungen waren etwas, womit ich beim Planen meiner Reise nicht gerechnet hatte.
Ganz im Gegenteil, ich verzichtete komplett auf die Mitnahme von Lebensmitteln, abgesehen von ein bisschen Proviant während des Fluges. Abgeschottet von der Außenwelt saß ich nun auf meinem Hotelzimmerbett und starrte ungläubig auf meine zitternden Hände. Meine Reisebegleitung guckte mich nur irritiert an.
Er selbst betrieb großen Aufwand gegen seine Magenverstimmung aufgrund des ungewohnten Essens anzukämpfen und organisierte sich regelmäßig eine Dose Cola, um seinen Magen zu beruhigen. Dabei handelte es sich um ein originales Coca-Cola Produkt, das aus China zu stammen schien.
Die Ironie, in einem kommunistischen Staat ein amerikanisches Produkt zu kaufen, das zwischen ein und fünf amerikanische Dollar kostet und ausschließlich an von Touristen besuchten Orten zum Verkauf steht, bringt mich noch heute zum Schmunzeln.

Kimchi Bowl.
Am Frühstücksbuffet versuche ich verzweifelt, ein Produkt mit Zuckerzusatz zu finden. Ohne Erfolg. Das Hotel hat sich zwar die größte Mühe gegeben, eine unglaublich reichhaltige Auswahl zu kreieren, das auf den europäischen Geschmack abgestimmt ist, doch Zucker sucht man vergeblich. Brot, Butter, Rohkost, Aufschnitt, Tee, mit Wasser aufgebrühter Kaffee und ab und an abwechslungsreiche Änderungen. In einem Land, in dem die Bevölkerung hungert, speisen wir wie Könige.

Des Weiteren ist alles Essen kalt, es sei denn es wird frisch am Buffet gekocht. Das Warmhalten ist in Nordkorea schwer möglich, da Elektrizität eine durchgängige Mangelware ist. Stromausfälle sind keine Seltenheit.

Blick aus einem Restaurant in einem Fernsehturm.
Die Mittag- und Abendmenüs in Restaurants bestehen aus mehreren kleinen Speisen auf kleinen Tellern, die nach und nach serviert werden. Reis, Suppe, Hühnchen, in Essig eingelegte Gurken und Fisch gehören zum Standardprogramm, doch auch hier ist das Essen immer kalt und nach mehreren Tagen kann auch ich kein kaltes Huhn mehr sehen. Das traditionelle Gericht Naengmyeon (zu Deutsch „Kalte Nudeln“), gehört ebenso sowie Bulgogi (auf offenem Feuer gebratenes Fleischgericht) und weitere traditionelle Gerichte zum Speiseplan. Dabei unterscheidet sich nordkoreanische Küche für einen Laien wie mich nicht von der südkoreanischen.

Doch Industriezucker sucht man weiterhin vergeblich. Mein Zuckerkonsum wird mit der Ankunft in Pjöngjang plötzlich auf null gesenkt und mein Körper macht Entzugphasen durch, die mir noch heute unwohl in Erinnerung bleiben. Erschrocken war ich, als ich das erste Mal realisierte, dass ich in meinem Hotelzimmer nichts finden konnte, das mein Verlangen stillen konnte. Rückblickend bin ich immer noch erstaunt, wie stark mein Körper reagiert hat und was ein kompletter Zuckerentzug innerhalb von 12 Stunden für Folgen hat, wo doch in Deutschland fast jedes Produkt Zucker enthält.

Foto von einer Packung Schokoriegeln.
Standhaft geblieben bin ich übrigens nicht, sondern am Abend des fünften Tages kaufte ich mir in Touristenshops (ähnlich den Intershops in der DDR) deutsche Edeka-Schokolade für 8 Euro die Packung. Drogenkonsum ist teuer.