Für immer 15 – Leben mit Plüscheinhorn

Ich umarme das Plüsch-Einhorn von Hinten. Herzen sind als Sticker mit einer Foto-App auf das Bild gesetzt.

Neugierig guckt das kleine Mädchen über die Stuhllehne am Flughafen Terminal in Abu Dhabi. Ich lasse das Einhorn zurück nicken und sie lacht. Das Kind und ich sprechen nicht dieselbe Sprache, doch das kleine Einhorn versteht sich auch ohne Worte. Egal ob in der Bahn, am Bahnhof, oder der jeden Morgen wenn ich am Kindergarten vorbei gehe: Das Einhorn ist nicht nur ein Blickfang für verwunderte Erwachsene (die sich fragen warum eine junge Frau verdammt noch mal ein Stofftier mich sich herum trägt), sondern vor allem auch immer ein Aufmerksamkeitsmagnet für Kinder.
Dass das Einhorn für eine Weile entführt wird, oder andere Kuscheltiere kennenlernt ist nicht selten. Ab und an landet es in Kuscheltier-Teerunden, oder es geht so weit dass Mütter mich auf Konferenzen mit der Kinderbetreuung verwechseln und ihr Kind neben mir abstellen.

Um auf Kinder aufzupassen, scheine ich vertrauensvoll genug auszusehen, dabei kann ich nicht mal Bier kaufen, ohne meinen Personalausweis mit mir zu tragen, sobald das Einhorn meinen Arm ziert. Es handelt sich halt um ein Anti-Aging Einhorn. Für immer 15 Jahre alt, dank Stofftier. „Entschuldigung, bevor ich mit dir ein Interview führe, muss ich noch wissen, ob du die Einverständniserklärung deiner Eltern dabei hast.“ Ich blicke irritiert auf mein Konferenz-Badge, auf dem in Großbuchstaben „VERANSTALTER“ geschrieben steht. Dann lächle ich. Wie immer wird dem Journalisten das Ganze gleich viel peinlicher sein als mir.

Tragen andere Menschen zum ersten Mal das Einhorn mit sich, so realisieren sie, wie viele Augen plötzlich auf einem lasten. Blicke, die ich seit mehreren Jahren gelernt habe auszublenden und mittlerweile gewöhnt bin, sind für die meisten Menschen erst mal eine Umstellung und Irritation. Plötzlich steht man häufig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wird angegrinst oder angesprochen und erntet manchmal ein Kopfschütteln. Die Reaktionen reichen von einem gerufenen „IT’S SO FLUFFY!“ auf der anderen Straßenseite bis zu einem Augenverdrehen. Wenn allerdings drei 10-jährige Mädchen anfangen zu kreischen, weil ich mit einem großen Stofftier um die Alster laufe, dann wird auch mir das Ganze zu viel.

Haben männliche Freunde mit dem Einhorn vor dem Einhorn-Trend noch deutlich mehr komische Blicke erhalten, so habe ich langsam dass Gefühl, dass es sich ausgleicht und auch immer mehr positives Feedback in Form eines Lächeln oder netten Satzes kommt. Anstelle der früheren irritierten Gesichter.
„Kann ich das Einhorn noch ein bisschen behalten? Die Frau da drüben hat mir gerade ihre Telefonnummer gegeben!“ Ich muss lachen und schmunzle noch in der Bahn. Es scheint, als hätten sich die Vorurteile endlich gebessert. „Guck mal“, sage ich „Das Kind da drüben guckt zu uns rüber. Lass das Einhorn doch mal Nicken.“ „Das kannst nur DU als Frau machen. Ich gelte sofort als potenzieller Vergewaltiger.“