23. Reisetürchen

Kiev (Urkaine)

Oktober 2016

Vielleicht bin ich zu viele Diktaturen gewöhnt, meine Reiseerfahrung von Nordkorea sitzt noch zu tief, oder ich habe einfach zu wenig Ahnung über den Osten Europas… Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus Beidem.

Als ich das „Great Patriotic War Museum“ (Nationales Museum der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg) betrete erwarte ich russische Propaganda, Glorifizierung spezifischer Helden und eine einseitige Geschichtsschreibung. Ich weiß nicht mal woher diese Erwartungshaltung kommt… Vielleicht durch den Titel, wahrscheinlich eher durch meine Einstellung gegenüber Ost-Europäischen Ländern. Ich habe in der Schule viele über Napoleon gelernt, Englische und Französische Geschichte, die Entstehung Amerikas, Griechenlands Probleme in der EU, oder Hilfspakete für Spanien diskutiert, aber von der Geschichte der Sowjetunion kenne ich kaum Kapitel.Ich muss gestehen dass ich die Ukraine immer noch als Russland geprägtes Land wahrnehme und ich kenne Russland nur unter Putin.

All das wird mir schlagartig bewusst, als ich im Museum auf viele mir unbekannte Geschichtselemente der Ukraine treffe. Vor allem stoße ich auf ein Land, dass sich auch sehr kritisch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander setzt. Ich erwartete ein russisch geprägtes Kriegsmuseum und ich bekam wahrscheinlich den reflektiertesten Einblick in die Geschichte des zweiten Weltkriegs, den ich je in einem Museum gesehen habe.
Vor allem die Menschen die wir auf unserem Reiseabschnitt in Tschernobyl kennen lernen sind Russland gegenüber negativ eingestellt. „Die Ukraine ist das Land, das die Probleme mit der Radioaktivität lösen muss. Dabei waren wir gar nicht die, die das verursacht haben.“
Immer wieder kommt auf wie wenig Europa und Russland eigentlich dazu beitragen das Problem zu beheben.

Doch wie gespalten die Meinungen im Land sind stellen wir spätestens fest, als wir durch eine konservativ-rechte Demo laufen. Die Forderung: Militäreinsätze auf der Krim. Während die Passantin uns erklärt was auf den einzelnen Demo-Banner steht und um welche Gruppierungen es sich handelt, macht sie auch klar, dass dies keine Demo ist die man begleiten sollte. Vor allem nicht als europäischer Tourist. „Durch Europa haben wir zwar ein Friedensabkommen durch das wir nicht schießen dürfen, aber was bringt es uns wenn sich die russischen Separatisten nicht daran halten. Nun sind die Menschen Freiwild.“

Auch in Tschernobyl selbst laufen wir durch die Kluft aus der jungen und recht alternativen Reiseleiterin und dem vor Ort zuständigen Personal. „Die Menschen hier arbeiten nicht nur in einem alten Sowjetgebiet, sie würden wohl auch allgemein gerne wieder in die Zeit zurück.“, erzählt sie mir, nach einer Hassrede auf Putin. Vieles an diesem Besuch zeigt mir wie wenig Ahnung ich von der osteuropäischen Geschichte habe und wie viele Konflikte ich vielleicht besser verstehen könnte, wenn ich sie hätte. Es wird Zeit Geschichte nachzuholen.

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