21. Reisetürchen
Tokio (Japan)
März 2015
Der Plan war eigentlich ganz einfach: Ich verschwinde etwas früher von der Rezeption, helfe meiner Freundin/Kollegin/Mitbewohnerin noch beim Aufräumen des letzten Hotelzimmer und dann verschwinden wir von der Nachtschicht nach Hause.
Als wir die Tür zum Zimmer jedoch aufmachen müssen wir feststellen, dass das halbe Zimmer zerstört ist. Überall liegt Kleidung herum, die Möbel sind zum Teil umgeworfen und Gegenstände sind über das Zimmer verstreut. Wir gucken uns nur an und kontrollieren ob der Gast wirklich aus gecheckt hat.
Als das System zeigt, dass er den Schlüssel persönlich abgab rufen wir unsere Vorgesetzte an.
Wenn wirklich nur Kleidung und anderes herum liegt sollte, dann sollen wir die Dinge einfach in Pappkartons packen und ins Lager stellen und eine Schadensliste anfertigen. Gesagt getan.
Doch nach und nach scheint es so als sei tatsächlich der gesamte Hausstand zurück gelassen worden. Wir finden Dokumente, Geldbörsen, Fotos, unterschiedliche Kreditkarten und Pässe.
Nach einem Anruf bei weiteren Vorgesetzten steht der Plan fest. Die Dinge müssen weiter in Kisten verpackt werden, denn das Zimmer ist ab dem nächsten Tag wieder vermietet, doch sollen die Sachen nun sortiert gelagert und mit Beschriftungen versehen werden.
Da geht die Nacht hin. Tschüss pünktlicher Feierabend.
Die Prozedur dauert Stunden und lässt uns über immer mehr kuriose Objekte stolpern. Als ich ein benutztes Kondom unter dem Bett hervorziehe bin ich mehr als glücklich Handschuhe zu tragen.
Langsam möchte ich nicht mehr wissen, was in diesem Zimmer passiert ist… Ich möchte es nur noch sauber bekommen.
Meine Kollegin beginnt schon mit dem Staubsaugen, als ich beginne Pappschachteln aus dem Regal zu nehmen. Als ich eine öffne um den Inhalt zu Katalogisieren, kommen mir bunte Pillen mit Smiley Aufdruck entgegen. „Ich glaube ich habe gerade Drogen gefunden.“, rufe ich gegen die Geräusche des Staubsaugers. Meine Kollegin hört sofort mit ihrer Arbeit auf. „Nicht bewegen!“, sagt sie und wählt erneut die Nummer unserer Chefin.
In den nächsten Minuten wird die Polizei informiert und ich stehe wie angewurzelt vor dem Regal, mit großer Angst was wohl in den anderen Kartons liegt.
In Japan ist das Erzeugen, Besitzen und Konsumieren von Drogen illegal. Alkohol und Nikotin sind dabei die einzigen Ausnahmen.
Zwischen weichen und harten Drogen wird nicht wirklich unterschieden. Für nur ein paar Gramm Gras müsste ich das Land wahrscheinlich für immer verlassen und nun weiß ich nicht mal was ich genau in der Hand halte.
Als die Polizei den Raum betritt und Fotos macht bin ich sehr angespannt. Meine Nacht habe ich gearbeitet, gerade stand ich eine halbe Stunde vor einem Schrank voller Drogen und hätte eigentlich schon lange Feierabend. Keiner der Polizisten spricht Englisch und ich bin zu kaputt und durcheinander um auch nur ein japanisches Wort zu finden.
Ich weiß nicht wie ich in diesem Moment richtig handeln soll und das alle Anderen um mich herum nur Japanisch oder Chinesisch sprechen, mach die Lage nicht besser.
Ab und an übersetzt meine Kollegin für mich, doch die Fragen des Polizisten werte ich eher als Angriff.
Das die Unschuldsvermutung in Japan ein Fremdwort ist, mach mich noch nervöser. Man schickt mich schließlich nach Hause. Die Aussage wird die Tage aufgenommen, von jemandem der Englisch spricht. Doch die Aussageaufnahme läuft anders als geplant. „Woher wussten Sie dass es sich bei Ihrem Fund um Drogen handelt?“, möchte der Polizist wissen. Ich fühle mich wie auf einer Anklagebank. „Das lernt man bei uns in der Schule. Wir haben einen Drogen-Aufklärungsunterricht.“ Rückblickend war es die beste Aussage die ich machen konnte.
Trotzdem fühle ich mich als würde ich durch das Interview stolpern. „Hatten Sie schon mal Kontakt zu Drogen?“ – „Haben Sie Objekte mitgenommen?“ – „Was haben Sie angefasst?“ – „Was haben Sie getan, nachdem sie die Drogen gefunden haben?“ – … Das ‚Interview‘ dauert über eine Stunde und ich möchte danach nie wieder auf einer japanischen Polizeistation sitzen.