08. Reisetürchen
Vorort Marrakesch (Marokko)
September 2014
Eigentlich war ich nur auf dem Weg zum Marktplatz, doch irgendwo muss ich falsch abgebogen sein.
Zwischen all den Häuserblöcken verliert man gerne die Übersicht und eine Hauptstraße zur Orientierung ist nicht in Sicht. Ich bin zu weit entfernt vom Zentrum um auf Menschen zu treffen die Französisch sprechen und so geistere ich durch die Gassen bis ich das Gefühl habe zum millionsten mal am selben Ort zu sein.
Eine ältere Dame scheint zu erkennen, dass ich mich verlaufen habe, kommt auf mich zu und fragt mich mehrere Dinge in marokkanischem Arabisch. Ich habe kein Wort verstanden. Ich war auf dem Weg zum Markt um Essen zu kaufen.
‚Essen‘ ist einer der Wörter die mir recht schnell beigebracht wurden. Ich wiederhole es mehrfach und unterstreiche es mit einer Geste. Die Frau nickt sofort und deutet an ihr zu folgen.
Wir laufen durch ein Labyrinth an Straßen bis wir plötzlich vor einer Wohnung stehen. Das ist kein Markt, aber ich folge der Frau durchs Gebäude. Jetzt hat sie mich schon den ganzen Weg gebracht, jetzt kann ich nicht mehr nein sagen.
Sie öffnet eine Tür und plötzlich stehe ich in einem Wohnzimmer. Irritiert schaue ich mich um. In der Mitte des Raumes wird gerade das Abendessen aufgebaut, die Familie kommt zusammen und ich verstehe plötzlich, dass man mich gerade zum Essen eingeladen hat.
Mir ist die Situation sehr unangenehm, doch einfach gehen erscheint mir als noch unhöflicher.
Also bleibe ich, esse mit einer Familie die ich noch nie gesehen habe, bedanke mich, spiele noch kurz mit einem der Kinder und verlasse dann das Gebäude. Draußen entdecke ich ein Glück ein Taxi. Ich nenne dem Fahrer meine Adresse und bin wieder zu Hause. Den Rückweg hätte ich wohl nicht gefunden.
Die Gastfreundschaft überrascht mich in Marokko immer wieder aufs Neue. Hätte in Deutschland eine Ausländerin eine wildfremde Frau mehrmals nach Essen gefragt, man hätte sie in Richtung eines Supermarktes, oder McDonalds geschickt.
Wahrscheinlicher ist sogar dass man sie ganz abgewiesen hätte.
Jemand Fremden jedoch mit nach Hause zu nehmen und mit seiner Familie essen zu lassen, dass macht man hier nicht.