07. Reisetürchen
Plymouth (England)
September 2014
Als mein Rücken anfängt zu brennen denke ich mir nicht viel dabei. Ich kann das Chlor des englischen Leitungswassers beim Duschen riechen und das meine empfindliche Haut leichte rote Stellen bekommt ist auch nicht verwunderlich.
Erst als die Stellen größer werden, mein Rücken beginnt zu brennen und ein Freund nach einer Google-Suche die Schlimmsten Diagnosen um sich wirft, mache ich einen Arzttermin.
„Shingles.“, ist die niedlich klingende Diagnose der Ärztin. Zu Deutsch: Gürtelrose. Eine Krankheit typisch fürs höhere Alter, die jedoch auch bei Stress ausbrechen kann. „Haben Sie gerade viel seelischen Druck?“, fragt die Ärztin.
Das erste Mal wird mir bewusst wie naiv ich an viele Dinge heran gegangen bin und dass ich mich überschätzt habe.
Gerade mal Abitur bin ich in die große weite Welt gestolpert.
Mein Auszug war kein Kleiner bei dem man einfach noch mal zu Hause vorbei schauen kann wenn man etwas braucht, sondern ein harter Schnitt von Hotel Mama zu Leben aus einem Reiserucksack.
Ich wollte alles alleine machen und habe dabei unterschätzt wie ungerecht die Welt ist und dass nicht alles so scheint wie in der behüteten Kleinstadt.
Ich bin gerade mal einen Monat von zu Hause weg, in einem Fremden Land, ohne Freund*innen, ohne Familie. Gestern hat Mama noch die Hemden gebügelt, heute muss mein Haushalt in einen 70 Liter Rucksack passen. Ich weiß noch nicht worauf ich achten muss, stolpere durch das Reiseleben und stelle dabei die Schattenseiten der Menschheit kennen.
In meinen ersten zwei Wochen verliere ich meinen Job, weil ich nicht mit meinem Chef schlafen möchte, verlasse die Gruppe von Menschen mit denen ich Richtung Süd-England fahren wollte, als ich feststelle, dass der Fahrer neben bei Dealt und seine Drogen im Auto lagert.
Die Welt erscheint mir plötzlich so viel düsterer als ich Optimistin sie mir vorgestellt habe. Mein Weltbild ist dunkel geworden.
Auch jetzt habe ich Angst die Diagnose meinem Chef zu erzählen. Der letzte Jobverlust sitzt noch tief, doch ich treffe auf absolutes Verständnis, einen Vorgesetzen der Arbeit extra für mich umstrukturiert, ein Auge darauf hat, dass ich mich nicht überlaste und verständnisvolle Kolleg*innen. Egal in welches Land ich auch die nächsten Jahre Reise, überall begegnet man mir mit Herzlichkeit. Die viele schlechte Erfahrungen wie in den ersten drei Wochen meiner Reise, mache ich die ganzen nächsten Jahre nicht mehr. Immer mehr und mehr überzeugen mich wildfremde Menschen wie wunderschön diese Welt ist. Wie herzlich.
Am Ende bin ich zwei Jahre unterwegs gewesen und habe nicht nur meinen Optimismus zurück gewonnen, sondern auch den Glauben an die Menschheit.