05. Reisetürchen

Rabat (Marokko)

November 2014

„LSD ist wahrscheinlich die einzige Droge die ich meinen Kindern empfehlen würde.“, sagt mein Kollege als wir auf unserem Schuldach sitzen, und über den Atlantik gucken. Der Texaner war mal auf dem Weg die amerikanische Karriereleiter nach oben zu klettern, bis sich seine Freundin mit einer Überdosis in der Badewanne umbrachte.
Er packte eine Tasche, verließ das Land und lebt von nun an von einen Tag in den Anderen.
„Ich gebe nicht dem Zeug die Schuld. Drogen sind auch nur ein Ausdruck von Leid. Das Leid war schon vorher da, es hätte sie vielleicht auch so umgebracht.“

Während wir die Unterhaltung führen zündet er sich einen Joint an. „Es gibt Drogen die grundsätzlich schlecht sind. Heroin zum Beispiel. Oder Koks. Die würde ich auch nie legalisieren. Scheiß Zeug.“ Ich zucke nur mit den Schultern. In meinem Leben habe ich nie mehr als ein paar Schlücke Alkohol getrunken, trinke nicht mal Kaffee und habe noch nie geraucht. Mein Kollege ist davon fasziniert.
„Bei uns kommst du zu einfach an das Zeug… Und hey du bist doch Deutsche? Betrinkt man sich da nicht schon ab 14?“
Wahrscheinlich tun das die meisten Menschen. Ich habe Partys meistens verlassen sobald mir der Alkoholkonsum zu stark wurde. Freunde haben bei mir gerne ausgenüchtert, weil meine Mutter so entspannt gewesen ist. Wahrscheinlich bin ich nicht die typische Jugendliche gewesen.
„Alkohol ist auch so ein Teufelszeug.“, sagt er und lacht „DAS sollten die da oben verbieten.“ Er schaut an sich runter. „Soll ich noch mal nachsehen ob der Verband noch in Ordnung sitzt?“, frage ich. Er schüttelt nur den Kopf.

Eigentlich hatten der verrückte Texaner und ich nicht viel miteinander zu tun. Wir unterrichten beide an der selben Schule Englisch, doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Er sieht so aus, als könnte er mein Vater sein, doch jetzt wo wir Drogengeschichten austauschen bin ich mir unsicher ob die seinen Körper nicht einfach nur verbraucht haben. Es ist schwer einzuschätzen wie alt er wohl genau ist und auch sonst weiß ich nicht viel über ihn.
Tatsächlich haben wir nie viele Sätze gewechselt bevor er Blut überströmt, total betrunken in mein Klassenzimmer gestolpert ist.

Ich hatte die Nacht beschlossen in der Schule zu bleiben um noch ein paar Stunden vorzubereiten und etwas Ruhe zu haben. Die Schule ist abends komplett leer und ich für mich alleine. Meistens genieße ich es, wo ich doch sonst ständig unter Menschen bin und alles laut ist.
Der Texaner war betrunken durch die Straßen gelaufen. Was genau passiert ist werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Mein Kollege sagt er erinnert sich nicht mehr. Ich erinnere mich an jede seiner Stichwunden. Zwei im Bein, eine im Oberkörper. Daran wie erstaunlich ruhig ich plötzlich war und dass ich google wie man Blutungen stoppt, während ich meinen Pullover auf ihn drücke, ehe ich auf die Straße Laufe und Hilfe hole.
Kein Mensch versteht meine Sätze, doch man sieht das Blut an meinen Händen. Hilfe ist schnell vor Ort. Nicht nur für den Texaner, sondern auch für mich.
Meine spanische Kollegin hält mich im Arm. Man wäscht meine Hände, gibt mir saubere Kleidung und wirft trotz der späten Stunde noch den Herd an um mein Lieblingsessen zu machen.

Jetzt sitzen der Mann und ich auf dem Dach und reden über Drogengeschichten. Wäre er nicht betrunken gewesen, wäre das wahrscheinlich nicht passiert, sagt er. Ich realisiere immer mehr auf wie viele Krankheiten ich mich untersuchen lassen muss, seit ich das Blut eines Exjunkies an den Fingern trug.
„Es gibt Dinge die vernebeln dich. Die machen Aggressiv. So wie bei Alkohol und mir. Aber Alkohol ist einfach zu bekommen. Alkohol gibt es selbst in diesem muslimischen Land in jedem Keller.“
„Der Mann der mir erzählt wie schlimm Drogen sind raucht dabei Gras.“, sage ich lachend.
Er schmunzelt. „Für dich als Frau, die noch nie etwas konsumiert hat muss es schwer sein Abstufungen zu machen. Sagen wir einfach das ist medizinisches Zeug. Gegen die Schmerzen.“

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